Das deutsche Fernsehen wird mutig

Das Großstadtrevier spricht Klingonisch

Wieder einmal hat es die klingonische Sprache in eine TV-Serie geschafft; Diesmal war es aber im deutschen Fernsehen. Das Klingonisch-Institut weiß mehr darüber.
vier Schauspieler von Großstadtrevier machen den vulkanischen Gruß. Wolfgang Boos, Maria Ketikidou, Enrique Fiß, Ryan Wichert. Das foto enthält Autogramme der Schauspieler.

Nicht nur den Klingonisch-Experten wird bekannt sein, dass die klingonische Sprache auch außerhalb von Star Trek gerne verwendet wird. Wenn das der Fall ist, dann ist der Zweck davon meistens, eine der Figuren im Film oder der Serie als Trekkie zu outen, so wie das auch bei The Big Bang Theory mehr als auffällig war. Deutsche Serien und Filme sind dabei etwas zurückhaltender, obwohl man auch bei der Sendung mit der Maus schon Klingonisch gesprochen hat.

Nun war endlich auch mal eine deutsche TV-Serie an der Reihe. Im Staffelfinale der 35. Staffel von „Großstadtrevier“ mit dem Titel „Taxi, Taxi“, die am 23. Januar 2023 auf ARD ausgestrahlt wurde, waren sogar gleich mehrere Sätze auf Klingonisch zu hören.

Taxi, Taxi

Die Webseite des ARD beschreibt die Folge in etwa so:

Eine mysteriöse Geschichte über einen vorgetäuschten Selbstmord, inszeniert als perfekter Mord, erzählt ein Fahrer Frau Küppers ungefragt. Richtig unheimlich wird der Vorfall am nächsten Tag, als die Zeitung über den geschilderten Freitod berichtet. […] 

Auch Harry Möller und Nils Sanchez sind unter Taxifahrern im Einsatz. Ralf Thiel und Karlo Diezemann buhlen um die Gunst der gleichen Frau, was die Streithähne sogar zu Sachbeschädigungen an ihren Fahrzeugen verleitet. Wie gut, dass Nils ein paar Brocken Klingonisch, einer konstruierten Sprache aus Science-Fiction-Filmen, sprechen kann. Das führt zu einer neuen Ebene der Verständigung.

Dialog 1: Sprechen Sie Klingonisch?

Zeimlich weit zu Anfang (05:30) spricht Taxifahrer Ralf (Ryan Wichert) auf Klingonisch ins Telefon: nuqneH? (Hallo?) jISovbe'. vIchaw'laHbe'. (Ich weiß es nicht. Das kann ich nicht zulassen.)

Die Hauptfigur Nils Sanchez (Enrique Fiß), der sich hiermit als Trekkie outet, fragt ihn überrascht: tlhIngan? (Klingonisch?) Woraufhin der Taxi-Fahrer Ralf ihn fragt, ob er Klingonisch spricht: tlhIngan Hol Dajatlh'a'? Nils antwortet mit „Ja, ein Bisschen.“

Nils Sanchez kniet vor einem Auto, schaut hoch und fragt Ralf, ob er Klingonisch spricht.
„tlhIngan Hol Dajatlh'a'?“ © ARD / Letterbox Filmproduktion GmbH

Dialog 2: Idioten!

In der zweiten Szene, gegen Ende der Folge (36:37), ruft Polizist Nils einen Verdächtigen auf Klingonisch zu: ghopDu' tIpep (Hände hoch!), was jedoch genau wie die anderen Sätze ohne Übersetzung stehen bleibt.

Nach Auflösung der Geschichte (bei 37:30) möchte Nils die beiden Kontrahenden auf Klingonisch beleidigen, macht dabei aber einen kleinen Grammatikfehler: sinngemäß sagt er „Idioten“: QIpwI'mey, aber mit der falschen Nachsilbe. Ralf und sein Kollege Karlo (Wolfgang Boos) korrigieren ihn darauf direkt, denn es muss QIpwI'pu' heißen. Nils hatte die falsche Mehrzahl-Nachsilbe verwendet: -mey für Gegenstände anstatt -pu' für Personen.

Nach dieser Erkenntnis über ihr gemeinsames Hobby versöhnen sich die Beiden und gehen gemeinsam ein Bier trinken. Auf dem Weg dorthin hört man noch ein leises nuqneH als Begrüßung, und sie vertiefen sich unhörbar im Gespräch.

Szene aus der Folge 486. links Taxifahrer Ralf, der mit dem Finger nach rechts auf Karlo zeigt.
„Du sprichst Klingonisch?“ © ARD / Letterbox Filmproduktion GmbH

War es gutes Klingonisch?

Ich kann euch mit bestem Gewissen bestätigen, dass das Klingonisch korrekt ist, denn ich hatte selbst das Vergnügen, dieses zur Verfügung zu stellen. Es hat mich sehr geehrt, an einer solchen Produktion mitwirken zu dürfen, und es hat mich auch gefreut, dass man sich die Mühe gemacht hat, es richtig zu machen, denn das ist nicht immer der Fall.

Während der Dreharbeiten wurde ich durch den Regieassistenten Matthias Meyer-Hanno kontaktiert, der mich darum bat, den Text zu übersetzen und den Schauspielern Aussprachetipps zu geben. So wie es bei Filmproduktionen üblich ist, erhielt ich kein komplettes Drehbuch, sondern er bot mir einen vorbereiteten Text an. Leider war auch er in die Falle getappt, einen Online-Übersetzer zu verwenden, wodurch der Text kompletter Nonsens war (siehe dazu auch →Vertraue keiner Übersetzer-App). Um den Text zu übersetzen erhielt ich dann doch einen Einblick in den relevanten Teil des Drehbuchs und konnte den Text entsprechend übersetzen, so dass er in der Szene auch Sinn ergibt.

Das Coaching der Darsteller

Einen direkten Kontakt zur Filmcrew gab es aus organisatorischen Gründen nicht, daher stellte ich den Schauspielern einen kleinen Crashkurs als Audio-Datei zur Verfügung, so wie das auch Klingonisch-Erfinder Marc Okrand schon für die Kinofilme gemacht hatte, obwohl dieser dafür noch eine zeitgemäße Audio-Kassette verwendete. Die Audiodateien haben offensichtlich ausgereicht, denn die Aussprache der Schauspieler waren absolut fehlerfrei.

vier Schauspieler von Großstadtrevier machen den vulkanischen Gruß. Wolfgang Boos, Maria Ketikidou, Enrique Fiß, Ryan Wichert. Das foto enthält Autogramme der Schauspieler.
v.l.n.r. Wolfgang Boos, Maria Ketikidou, Enrique Fiß, Ryan Wichert

Parallelen

Eine absichtliche Imitation möchte ich keineswegs unterstellen, aber es gibt eine ähnliche Szene in einer Folge von Navy CIS aus dem Jahre 2006. Nachdem die Polizisten dort von einem als Klingone verkleideten Verdächtigen auf Klingonisch beleidigt wurden, übersetzte Agent Gibbs seinem Partner die Sätze. Dieser Partner fragt ihn anschließend, ob er Klingonisch spreche, und Agent Gibs antwortete mit „Nicht fließend, aber ja.“

Zusammenfassung

Derartige Verwendungen der klingonischen Sprache erscheinen in den vergangenen Jahren immer häufiger. Das schöne daran, ist es, zu beobachten, dass die Sprecher in solchen Situationen nicht mehr als stupide Idioten abgetan werden, sondern sogar die Hauptfigur einer Serie mit Stolz dazu steht, Klingonisch zu beherrschen. Immer mehr Filmemacher achten darauf, richtiges Klingonisch zu verwenden, anstatt sich etwas aus den Fingern zu saugen, was ein Zeichen dafür ist, dass Klingonisch trotz seines Exoten-Status immer häufiger als seriöse Sprache betrachtet wird.

Das „Großstadtrevier“ kann nun ebenfalls stolz darauf sein, auf dieser Liste der guten Klingonisch-Szenen zu erscheinen.

Weitere Infos zur Serie:
Logo des Klingonisch-Wiki

Weiterführende Informationen
zu diesem Thema gibt es
im Klingonisch-Wiki:

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ÜBER DEN AUTOR

Lieven L. Litaer ist Klingonischexperte, Autor, Gründer des Deutschen Klingonisch-Instituts und weltweit bekannt als der Klingonischlehrer überhaupt. Mehr Informationen darüber gibt es auf seiner Seite www.lieven-litaer.de

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