Warum Klingonisch lernen so viel Spaß macht

Eine Sprache mit Humor

Als Marc Okrand den Auftrag bekam, die klingonische Sprache zu entwickeln, hatte er beinahe nichts als Grundlage. Sich ein paar neue Wörter auszudenken ist sicherlich noch einfach, aber eine vollständige Sprache zu entwickeln braucht ausreichend Phantasie – und offensichtlich auch viel Humor!

Die Entstehung der Sprache

Klingonisch ist nicht die einzige Filmsprache

Für den Film „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ beauftrage James Cameron einen Sprachwissenschaftler damit, eine Sprache für die drei Meter großen außerirdischen Na'vi zu entwickeln. Diese Sprache enthielt über tausend Wörter. Kaum zu glauben, aber auch die Macher des Zeichentrickfilms „Atlantis“ von 2001 entwickelten eine eigene Sprache. Es mag manchen Leser überraschen, dass es Marc Okrand war, der diese Sprache entwickelte. Ja genau, der Erfinder des Klingonischen. Es gab schon Gerüchte, dass die Hauptfigur in dem Zeichentrick im Aussehen Marc Okrand ähneln sollte.  Diese Idee wird sich wohl nur unter seinen Fans verbreiten.

Wenn man weiter forscht, so wie es Stephen D. Rogers in seinem Buch „A Dictionary of Made up Languages“ ("ein Wörterbuch der erfundenen Sprachen") macht, wird man feststellen, dass sehr viele Filme ihre eigenen Sprachen verwenden. Dies diente entweder dazu, der Geschichte eine gewisse Autentizität zu verleihen – so wie die elbische Sprache dies bei der Herr der Ringe Trilogie tut – oder aber auch um absichtlich keine gezielte Sprache zu verwenden, so wie im Film „The Terminal“, in welchem die von Tom Hanks dargestellte Hauptfigur über längere Zeit im Flughafen festsaß und aus einem fiktiven Land Namens Krakosien kam.

Gar nicht so einfach.

Wenn man sich diese Tatsachen so durchliest, fällt erst mal nicht auf, welche Arbeit dahinter stecken kann. Sicherlich ist es für einen Sprachforscher eine Leichtigkeit, eine fremdartig klingende Grammatik zu erstellen, indem er sich irgend einen seltenen süd-indonesischen Dialekt zugrunde legt und ausarbeitet. Aber danach kommt das, was auch beim Lernen einer Sprache die größte Arbeit ist, und zwar die Vokabeln. Immerhin enthält das 1985 veröffentlichte und 1992 ergänzte klingonische Wörterbuch insgesamt fast 2.000 verschiedene Wörter. Diese ähneln keiner einzigen irdischen Sprache, nicht im Geringsten.

Natürlich kann man einfach drauf los legen und Wörter erfinden, aber man sollte dies mal selbst versuchen. Spätestens nach zehn zufälligen Silben wird man schnell merken, dass man sich wiederholt und etwas erfindet, was man schon hatte. Kein Wunder also, dass Marc Okrand auch das Wort für Schreibkrampf einfügen musste. Es heißt ngav, und enthält schon fast einen leicht hörbaren kleinen Schmerzens-Schrei.

Exotische Grammatik

Bevor wir an dieser Stelle zu den Vokabeln kommen, soll erst mal die Grammatik erklärt werden. Nicht direkt die Art, wie man sie anwendet, sondern eher die Frage wo sie herkommt. Da diese Sprache ja bekanntlich für eine außerirdische Rasse konzipiert werden sollte, bemühte sich Marc Okrand darum, die seltensten und eigenartigsten Eigenschaften einer Sprache zu finden, die es gibt.

Das Auffälligste voran war der Satzbau. Die meisten Sprachen weltweit benutzen die Reihenfolge Subjekt-Prädikat-Objekt , also "ich sehe den Hund". Die türkische Sprache ist schon etwas ungewöhnlicher, dort kommt das Verb ans Ende: "Ich den Hund sehe". Bei einer mathematischen Auflistung aller Kombinationen stellt sich heraus, dass es sechs Möglichkeiten gibt, die Satzteile anzuordnen. Die klingonische Sprache benutzt jene Satzstellung, die auf der ganzen Erde so selten ist, dass sogar in Wikipedia außer Klingonisch nur eine einzige andere als Beispiel genannt wird: Objekt-Verb-Subjekt. Dies macht das Klingonisch lernen so schwer, weil man im Kopf quasi "rückwarts" denken und sprechen muss. Man gewöhnt sich aber recht schnell daran: Klingonisch spreche ich. tlhIngan Hol vIjatlh jIH.

Eine weitere Eigenart des Klingonischen ist, dass es eine agglutinierende Sprache ist, was auf das Anhängen von Silben beinhaltet. Während deutsche Sätze viele Wörter enthalten, haben klingonische Wörter viele Silben. Diese Methode ist zum Beispiel auch im Türkischen üblich, z.B. heißt dort ein Haus ev, die Mehrzahl dazu ist evler, meine Häuser evlerim, in meinen Häusern evlerimde. Im Klingonischen geht das genauso: Schiff = Duj, Mehrzahl: Dujmey, meine Schiffe DujmeywIj, in meinen Schiffen DujmeywIjDaq. Dies ist für manche Anfänger vielleicht etwas abschreckend, aber beim Lernen kann man sich diese Silben auch als einzelne Wörter merken, was das Ganze wieder etwas entschärft. Im Klingonischen werden die Silben danach unterschieden, ob sie an Verben oder an Nomen angehängt werden. Weiterhin werden sie danach in verschiedene Gruppen unterteilt. So gibt es fünf Gruppen für die Nomen-Suffixe und neun Gruppen für die Verb-Suffixe. Von jeder Gruppe darf immer nur eine Silbe verwendet werden, da sie sich sonst widersprechen würden. Ein gutes Beispiel dafür ist Typ 1 der Nomen, welches die Größe oder Wichtung des Nomens beschreibt. Hier gibt es -'a' für wichtige Sachen und -Hom für kleinere oder minderwertige Sachen, ohne diese jedoch abzuwerten. In der deutschen Übersetzung wird dafür entweder die Silbe -chen verwendet, z.B. Hündchen oder in den meisten Fällen ein ganz anderes Wort, z.B. loDHom Junge, wörtlich "weniger als ein Mann".

Die Jahreshauptversammlung des US-amerikanischen Klingonisch-Instituts KLI wird qep'a' genannt, nach dem Wort qep Treffen und der Vergrößerungssilbe -'a', die auf die Wichtigkeit hinweist. Jedes andere Treffen, an dem Klingonisch gelehrt oder gesprochen wird, nennt sich offiziell qepHom [gesprochen: KÄPP-CHOM], was soviel wie kleines Treffen bedeutet. Dies kann schon lange nicht mehr wörtlich genommen werden. Das qep'a' in den USA hat seit Jahren gerade mal 20 bis 25 Teilnehmer. Der Klingonischkurs in Saarbrücken hingegen, das qepHom, hat mit regelmäßig 60 bis 70 Teilnehmern aus aller Welt das Haupttreffen in Punkto Größe um mehr als das Doppelte übertroffen. Marc Okrand hat auch schon seit längerem zugestimmt, dass man hier gerne die Grammatik etwas brechen kann, und ausnahmsweise von einem qepHom'a' sprechen dürfe, da es sich um ein "wirklich großes kleines Treffen" handelt.

Versteckter Humor

Wie schafft man es, inzwischen über 4.000 Wörter zu erfinden, von denen die meisten auch noch aus nur drei Buchstaben bestehen? Das geht wirklich nicht einfach, und Marc Okrand hat damit seinen einzigartigen Sinn für Humor bewiesen, der uns mit neuen Wörtern auch heute noch immer wieder überrascht. Es gibt viele Wörter, die einen Wortwitz enthalten, auf Englisch kurz "pun" genannt. Bei manchen ist es fast offensichtlich, aber bei vielen erkennt man es nur, wenn es erklärt wird, da sie manchmal echt weit hergeholt sind. Diese Wortspielereien sind sehr unterhaltsam, interessant und lustig. Manche Schüler versuchen dies jedoch zu ignorieren, da man die Zweideutigkeit des Wortes eventuell niemals mehr los wird.

Ein paar Beispiele

Als Marc Okrand sich Anfangs der Achtziger mit den Klingonen erstmals auseinandersetzte, merkte er gleich dass sie sich auf engen Raumschiffen aufhalten, deren Innenleben ein wenig an ein U-Boot erinnert. Zu der Zeit lief der Kinofilm "Das Boot", welcher ihm zu einem Wort half. Im Wörterbuch liest es sich jetzt DaS boot. Englisch für Stiefel, das Klingonische spricht sich aus wie DASCH.

Manch andere sind leichter zu erkennen: Das Wort für Feuer ist qul, und Feuer ist eben nicht "cool", sondern warm. Die Abkürzung von "Head Of Department" führte zu dem Wort HoD [sprich CHOOD], was Captain bedeutet. Das Wort für "ein Paar" ist benannt nach den bekannten siamesischen Zwillingen Chang und Eng Bunker und heißt chang'eng. Okrand arbeitete damals offenbar nicht so gerne mit PCs und benannte ein Ziel, das man abschießt, als DoS. Diesen zufälligen Zusammenhang hat er jedoch später eindeutig bestritten. Die Finger an der Hand erhielten ihren Namen nach den Finger-Lakes in Nordamerika und das Wort Hand ghop ist rückwärts geschrieben Handschuh: pogh. Nach einem berühmten Maler, der sich das Ohr abschnitt, ist das Wort Ohr benannt: qogh. Erst am zehnten Jubiläums-qepHom letztes Jahr lernten wir das Wort für Architekt kennen. Es heißt renwI' und basiert auf gleich zwei Architekten: Christopher Wren, der Saint Paul's Cathedral in London baute, und James Renwick, der die St. Patrick's Cathedral in New York baute. Es gibt aber auch Wörter, die so weit hergeholt sind, dass man es nie erkennt. Das Wort pe'vIl [PÄ-WILL] heißt kräftig, und stammt von zwei Bekannten Okrands, Pat und Phil. Es gibt keinen Zusammenhang, er wollte diese Namen einfach verwenden, genauso wie er seine Nichten Megan und Erin in megh'an und 'er'In verewigte, beide ein Wort für das Ende eines Stabes. Deren Mutter hieß Kari, was zu qarI' führte, das Ende eines Tunnels. Übrigens, Okrands Nachbarin hieß Jill, daher das Wort jIl für Nachbar. Wirklich weit hergeholt ist ein recht neues Wort, QemjIq Loch im Boden [KRÄM-DSCHIK]. Wenn man dies rückwärts liest, erhält man die Wörter qIj [KIDSCH] schwarz und meQ [MÄKCH] brennen, oder auf Englisch: Blackburn. Dies ist eine Stadt in Nord-England, in der es mal soviele Schlaglöcher in den Straßen gab, dass John Lennon darüber ein Lied schrieb.

Schlusswort

Über diese Wortspiele könnte man ein abendfüllendes Programm erstellen, und dafür ist der Klingonischkurs Saarbrücken am besten geeignet. Oder man hält Ausschau auf einer der nächsten Conventions, ob euer Klingonischlehrer vielleicht dort was dazu erzählt. Er wünscht dem Leser weiterhin noch viel Erfolg und Spaß beim Lernen der klingonischen Sprache.

Dieser Artikel erschien erstmals 2012 im Corona-Magazin, dem umfassendsten Phantastik-Magazin seit 1997, welches seit 2021  unter dem Namen Phantastika vertrieben wird.

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ÜBER DEN AUTOR

Lieven L. Litaer ist Klingonischexperte, Autor, Gründer des Deutschen Klingonisch-Instituts und weltweit bekannt als der Klingonischlehrer überhaupt. Mehr Informationen darüber gibt es auf seiner Seite www.lieven-litaer.de

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