Vertraue nie einer Software.

Vertraue keiner Übersetzer-App

Seit vielen Jahren vertrauen unerfahrene Klingonisten blind dem Bing-Übersetzer und produzieren unwissentlich den größten Müll, der schlimmstenfalls sogar gedruckt oder tätowiert wird. Ich erkläre heute, warum man das besser nicht machen sollte.

There we have the salad.

Wer kennt es nicht aus den Anleitungen für Geräte aus dem Ausland? Obwohl man jedes Wort an sich versteht, ergibt der Text überhaupt keinen Sinn: „Nehmen Sie Nippel B für Anschluss der Gerät im Sommer, wenn nicht Eigentümer der Operation.“ So oder so ähnlich findet man häufig die Texte in den Anleitungen und wir alle wissen, dass diese höchstwahrscheinlich aus einer Software stammen, denn freiwillig würde ein Mensch keinen solchen Quatsch produzieren. Dennoch bin ich immer wieder überrascht darüber, welch großes Vetrauen die Nutzer in solche Apps legen, die behaupten, sie würden Klingonisch beherrschen! Es ist doch schon bekannt, dass eine Software nie hundertprozentig arbeiten kann. Bei Klingonisch ist es leider noch viel schlimmer.

Der Anfang allen Übels

Es war kurz vor der Premiere des neuen Kinofilms Star Trek Into Darkness, als Microsoft mit Stolz verkündete, ab sofort ihren Bing-Übersetzer mit Klingonisch zu erweitern.[1] Dies geschah in Zusammenarbeit mit CBS als Rechteinhaber von Star Trek und dem KLI, dem Klingon Language Institute in den USA. Einige der erfahrensten Klingonisten des KLI, inklusive mir selbst, machten sich mit Freude und Motivation daran, den Bing-Übersetzer mit Standardsätzen zu befüllen. Zusätzlich wurde die Software mit allen damals bekannten Texten gefüttert, unter Anderem dem klingonischen Hamlet. Aus diesen Grundlagen sollte die Software selbst Klingonisch lernen und verstehen.

Kann eine Software lernen?

Die Programmierer unter uns werden sich jetzt eventuell wundern, warum man nicht einfach dem Bing-Übersetzer erklärt hat, wie Klingonisch funktionert. Immerhin ist diese Sprache eine sehr direkte und systematisch konstruierte Sprache, die simplen Regeln befolgt: Nachsilben haben immer die selbe Reihenfolge, viele Wörter haben ihren festen Platz im Satz, und wenn Objekt und Subjekt bekannt sind, ist die Silbe immer eindeutig festzulegen (siehe auch den Beitrag "Was es im Klingonischen nicht gibt") Eine solche Methode ist aus technischer Sicht anscheinend schon veraltet und wird nicht mehr angewandt. Stattdessen vertraut man auf das sogenannte Deep Learning: Die Software wird mit Texten zugeworfen und soll selbst schauen, wie die Sprache funktioniert. Im Normalfall geht das eigentlich recht gut, denn bei den weit verbreiteten Sprachen gibt abertausende Texte zum vergleichen. Bei Klingonisch waren es aber nur drei. Und genau da lag das Problem.

Wie eine Software lernt

Nehmen wir ein einfaches Beispiel. Wenn ich sage Sop loD ist "der Mann isst" und dann Sop puq heißt "das Kind isst", kann sowohl ein Mensch als auch Computer daraus schließen, dass das Wort Sop "essen" bedeuten muss und loD und puq vermutlich Mann und Kind sind. Das versteht man schnell, ohne etwas über Satzbau zu kennen. Wenn ich nun übersetzen möchte "Der Hase isst" muss man nur das Wort "Hase" an die richtige Stelle setzen: Sop cheS. Soweit ganz einfach.

Das Problem hierbei entsteht bei längeren Sätzen, die beim Zeilenumbruch falsche Verbindungen erzeugen können. Schreibe ich nun zum Beispiel "Ich möchte diesen Kuchen nicht essen." auf Englisch "I don't want to eat this cake." könnte man annehmen, dass "this cake" für "nicht essen" steht. Und genau DAS ist beim Bing-Übersetzer schief gelaufen und erzeugt trotz vieler Korrekturen auch heute noch viele Fehler.

Ich benutze aber ne andere App!

Es ist ganz wichtig zu wissen, dass alle derzeit bekannten Apps (egal of auf dem Handy oder als Internet-Seite), die Klingonisch als Sprache anbieten, gemeinsam alle und ausschließlich auf Microsofts Bing-Übersetzer basieren. Da steht immer irgendwo in der Ecke oder im Kleingedruckten "Unterstützt von Microsoft" oder so ähnlich. Hierbei ist es egal, ob man einen der bekannten Webseiten wie translator.eu oder Tradukka.com oder funtranslations.com oder auch eine App aus dem PlayStore oder Windows-Shop benutzt – Es kommt immer dasselbe dabei heraus. (NB: Diese Wertung bezieht sich natürlich nur auf Klingonisch; Andere Sprachen sind ein anderes Thema.)

Weitere Entwicklung

Es ist kaum zu glauben, aber Microsoft ist sich des Problems bewusst, und versucht weiterhin dies zu beheben. Mit welcher Intensität ist jedoch ungewiss, und es ist nicht sicher, ob sich die software vonselbst verbessert, oder ob manuell nachgeholfen wird. So werden zum Beispiel die alten Zugänge des KLI nicht mehr gewartet, sodass direkte Bearbeitungen gar nicht mehr angenommen werden. Die Lernfunktion der Software versucht weiterhin ein System in der Sprache zu erkennen, erzeugt aber seltsame neue Bezüge, die komplett absurd sind.

In den ersten Monaten nach Veröffentlichung konnten die gröbsten Patzer beseitigt werden, als zum Beispiel für die Übersetzung von "Dänemark" das Wort Qo'noS erschien, denn der Prinz von Dänemark lebt im klingonischen Hamlet natürlich auf Kronos. Auch heute noch findet man Relikte aus dem Hamlet zurück, die leicht erkennbar sind, wenn die Namen tlhaw'DIyuS (Claudius) ghIlDeSten (Güldenstern) oder roSenQatlh (Rosenkranz) auftauchen. Gerade diese könnte man sehr einfach händisch eliminieren.

Fehlübersetzungen

Erstaunlich ist hier, dass es nicht nur Laien sind, die dem Übersetzer vertrauen, sondern auch professionelle Autoren, die offizielle lizensierte Produkte verkaufen, die danach im klingonischen Teil den größten Schwachsinn enthalten. Diese hier im Detail zu vertiefen, würde den Rahmen sprengen oder gar einen eigenen Artikel verdienen. Opfer der falschen Übersetzung sind unter anderen das Werbevideo der VHS Wien[2], das Nachwort aus Metin Tolans Buch Die Star Trek Physik[3], die klingonische Karte aus dem Buch Stellare Kartographie von Larry Nemecek (welhes ich zum Glück korrigieren durfte)[4], sowie alle Texte im Buch Hidden Universe Travel Guide: Star Trek – The Klingon Empire.[5] Aus diesem letzteren möchte ich doch noch ein Beispiel bringen: Dort wurde das Restaurant mit dem Namen "The Iron Horse" übersetzt mit Sut HabmoHwI' Sargh = "Das Bügeleisen-Pferd". Das erkennt man natürlich, wenn man Klingonisch versteht.
Falsche Übersetzung: Das Bügeleisen-Pferd

Wie erkenne ich falsche Texte?

Falsche Übersetzungen sind leider nicht immer und sofort erkennbar. Die folgenden Punkte sollte man aber gleich überprüfen:
  • Das wichtigste Merkmal ist es, wenn im Text englische Wörter auftreten. Wenn zum Beispiel für „Star Trek“ als Übersetzung das Wort Hov trek erscheint, sollte man aufmerksam werden. Hinzu kommt, dass die Übersetzungsmatrix immer den Umweg über Englisch macht, auch wenn man aus dem Deutschen übersetzt. Falls ein Wort nicht übersetzbar ist, verbleibt der englische Begriff, was nicht erkennbar ist, wenn man kein Englisch beherrscht.
  • Für den nächsten Punkt braucht man schon ein wenig Klingonisch-kenntnisse, denn man muss diese Namen erkennen. Wenn in einer Übersetzung Namen aus Hamlet auftauchen, ist das ein deutliches Zeichen für die Online-Übersetzung, denn warum sollte man diese verwenden? Außer natürlich, man schreibt über Hamlet.
  • Die falsche Großschreibung ist nicht erklärbar, taucht aber auch häufig in den Übersetzungen auf. Der erfahrene Klingonist weiß, dass die Buchstaben S und D immer groß geschrieben werden.

Verschlimmbesserung

In der letzten Zeit (2020) haben sich die Ergebnisse des Bing-Übersetzers stark gändert. Einige der bekannten Fehler sind nicht mehr dauerhaft reproduzierbar. Ob das besser ist, kann man kaum sagen. Das große Problem hierbei ist, dass eine fehlerhafte Übersetzung nicht mehr deutlich erkennbar ist, denn auf dem ersten Blick sieht alles ordentlich aus. Ein erfahrener Klingonist erkennt aber sofort die automatische Übersetzung, denn diese ist in der Regel aboluter Schwachsinn. Als Beispiel jage ich mal genau diesen Absatz durch den Bing-Übersetzer und versuche dann, das Ganze zurück zu übersetzen:

laSvarghmey vu'taHvIS DIR, nongtaHvIS Dujmey je. ghom ra'meH mIw wIje'meH matlhong wIneH. Human 'oH, HamletvaD jatlhqu' ghaH. reH teSDu'wIjDaq ghumtaH ru'bogh bommey. wutlhDaq QottaHbogh QoraQ tuq, HoSqu'bogh tlhInganpu' 'oH. tangqa' targh malja' neH jIvumchoH, 'ej ghu'vam vItmo' neH jIvumchoH.

Während die Haut die Fabriken verwaltet, auch während die Schiffe passioniert sind. Wir wollen verhandeln um eine Vorgehensweise zu kaufen um eine Gruppe zu kommandieren. Es ist ein Mensch, er spricht zu Hamlet. In meinen Ohren alarmieren immer die temporären Lieder. Das Haus des Korax, das sich in den Untergrund legt, es ist sehr mächtige Klingonen. Nur Bullen-Targ Business ich beginne zu arbeiten, und ich beginne nur zu Arbeiten wegen der Wahrheit der Situation.

Vertraue keinem Online-Übersetzer!

Ich hoffe, dieses konkrete Beispiel konnte deutlich machen, dass es sich nicht nur um leichte Abweichungen oder gelegentliche Irrtümer handelt. Eine klingonische Übersetzung aus der Software erzeugt einfach nur komplett unverständlichen Nonsens, der rein gar nichts mit dem ursprünglichen Text zu tun hat.

Frag nicht irgendwen....

Aus diesem Grund möchte ich nochmals deutlich daran appelieren: Wenn man vor hat, etwas richtig zu machen, sollte man jemanden fragen, der sich damit auskennt. Als euer Klingonischlehrer bin ich gerne für euch da, mal einen raschen Blick auf eine Zeile zu werfen. Auch für größere Projekte stehe ich gerne zur Verfügung. Anfragen dazu gehen über alle bekannten Kanäle bzw. über meine persönliche Webseite https://lieven-litaer.de

Quellenangaben

1. Klingonische Ankündigung für Bing Translator, auf Microsoft.com, 14. Mai 2013
2. VHS Wien, Eintrag im Klingonisch-Wiki
3. Tolan, M. (2017). Die Star Trek Physik, Piper Taschenbuch, Eintrag im Klingonisch-Wiki
4. Nemecek, L. (2013). Stellar Cartography, Eintrag im Klingonisch-Wiki
5. diverse (2017). Hidden Universe Travel Guide: Star Trek – The Klingon Empire, Pocket Books, Eintrag im Klingonisch-Wiki

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ÜBER DEN AUTOR

Lieven L. Litaer ist Klingonischexperte, Autor, Gründer des Deutschen Klingonisch-Instituts und weltweit bekannt als der Klingonischlehrer überhaupt. Mehr Informationen darüber gibt es auf seiner Seite www.lieven-litaer.de

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