Es ist einfacher als man glaubt.

Was es im Klingonischen nicht gibt

Viele Anfänger machen den Fehler, anzunehmen, dass Klingonisch schwierig ist. Wenn man aber genau hinschaut, erkennt man schnell, dass viele komplizierte Sachen darin einfach fehlen. Dann erscheint die Sprache plötzlich sehr einfach.

Klingonisch ist einfach

Mit dieser Grundregel sollte wohl jeder sprachinteressierte Klingonen-Fan an die Sprache herantreten. Auf dem ersten Blick scheint alles sehr ungwöhnlich. Der Satzbau ist rückwärts, es gibt Vorsilben und Nachsilben, die an das Wort gehängt oder davor gesetzt werden, und mitten im Wort werden Buchstaben groß geschrieben. Aber wenn man sich an diese Eigenarten des Klingonischen gewöhnt hat, wird dem Lernenden bald auffallen, dass die Sprache doch recht einfach zu erlernen ist, und wirklich nicht so sehr kompliziert ist. Das geht aber nur, wenn man sich regelmäßig selbst daran erinnert.

Fasse dich kurz!

Aus dem Deutschen sind wir es gewohnt, sehr lange Sätze, so wie diesen hier, welcher schon jetzt mehrere Kommata und diesen eingeschobenen, nicht ganz nebensächlichen, Satz enthält, zu lesen, ohne dass er uns kompliziert erscheint. Einen solchen Satz ins Klingonische zu übersetzen erscheint nahezu unmöglich. Sogar als erfahrener Klingonist kann ich dies sogar bestätigen, aber warum sollte gerade ein Anfänger dies überhaupt versuchen? Dieser Satz wäre genauso schwierig ins Englische oder Spanische zu übersetzen. Aus diesem Grund lautet die erste Merkregel für einen Klingonisch-Schüler: KISS – Keep It Simple Student! Damit ist gemeint, man solle sich erst mal mit einfachen Sätzen beschäftigen, wie zum Beispiel jIyajbe' Ich verstehe nicht, gesprochen [DSCHIE-JAHDSCH-BÄ]. Alles andere folgt später automatisch.

Vor- und Nachsilben

An diesem einfachen Beispiel lässt sich schön die Nutzung der Vor- und Nachsilben, insgesamt auch Affixe genannt, erklären. Falls die Idee des Zusammenbauens zu kompliziert erscheint, kann man sich diese gerne auch als eigene Wörter merken, da es bei der Aussprache sowieso nicht zu hören wäre. Das Wort jIyajbe' setzt sich zusammen aus der Vorsilbe für ich jI-, dem Verb verstehen yaj und der Nachsilbe für nicht -be'. Ich verstehe wäre also jIyaj. So hat jede Person seine eigene Vorsilbe: ich, du, er, sie, es und so weiter. Die Besonderheit, oder vielleicht auch das Schwierige, am Klingonischen ist, dass durch diese Vorsilben gezeigt wird, wer was mit wem macht. Ich verstehe ihn wäre vI-yaj, während Ich verstehe dich qa-yaj heißt. Eine Erleichterung bietet die Vorsilbe für er, sie und es: Es gibt einfach keine. Das Wort yaj bedeutet also: er/sie/es versteht. Die emanzipierte Leserin wird sich freuen, denn es gibt im gesamten Klingonischen keine Unterscheidung der Geschlechter. SuvwI' kann also gleichsam für der Krieger als auch die Kriegerin genutzt werden, wie im nachfolgenden Satz deutlich wird: SuvwI' yaj ghaH Er/sie versteht den Krieger/die Kriegerin.

Verben werden nicht konjugiert.

Nun sollte man sich beim weiteren Lernen den Kopf frei machen von den komplizierten Eigenschaften der deutschen Sprache. Es kann nur nochmal wiederholt werden: Klingonisch ist einfach! Außer der Geschlechtertrennung gibt es noch viele grammatikalische Eigenschaften, die es einfach garnicht gibt. Am Beispiel yaj verstehen bzw. er versteht ist dem einen oder anderen schon aufgefallen, dass die Verben nicht konjugiert werden. Es bleibt immer bei der Grundform, die mit Vor- oder Nachsilben verziert wird. Jeder Grammatikel-Muffel wird sich darüber freuen, dass es keine Zeitformen gibt. Keine Zukunftsform, Vergangenheit, Plusquamperfekt und Präteritum – diese kann man alle vergessen. Der Klingone sagt einfach, wann etwas passierte, dann ist es doch klar, was gemeint ist: wa'Hu' jISop. Gestern aß ich. und tugh jISop. Bald werde ich essen. In beiden fällen benutzt man jISop ich esse. Als nächstes gibt es übrigens auch keine Artikel, wie der, die, das und ein, eines. Somit kann das Wort tlhIngan je nach Kontext entweder ein Klingone, der Klingone, und sogar die Klingonin heißen, denn es gibt keine Unterscheidung zwischen weiblich oder männlichen Wörtern. Wenn es aus dem Kontext erkennbar ist, also mit der richtigen Vorsilbe oder wenn eine Zahl davor steht, könnte sogar eine Mehrzahl impliziert sein, denn die Silben für die Mehrzahl sind nicht zwingend notwendig: cha' tlhInganzwei Klingonen.

Sein oder lieber nicht sein?

Beim nächsten Punkt wären Freunde von Shakespeare wohl erst mal enttäuscht, denn es gibt kein Wort für sein. Dieses Wort hat mehrere Bedeutungen, die in manchen Sprachen wie Spanisch mit zwei verschiedenen Verben ausgedrückt werden. Die eine Verwendung ist ein Hilfsverb, sein wird verwendet bei Vergangenheitsformen, z.B. ich bin gegangen. Solche Konstruktionen gibt es aber wie oben schon erwähnt im Klingonischen nicht. Eine andere Verwendung findet statt bei Eigenschaften: es ist grün, ich bin hungrig, sie ist groß. Dieses umgeht das Klingonische, weil es gar keine Adjektive hat. Stattdessen werden Verben verwendet, die wörtlich übersetzt das Wort sein schon enthalten: SuD, jIghung, tIn. Zuletzt gibt es noch die beschreibende Funktion, diese ist aber wirklich einfach umzusetzen. Ich bin ein Klingone. tlhIngan jIH. Nun erwartet der Kenner wohl die Erklärung, was "General Chang" wohl sagte, als er Hamlet zitierte. Diese Übersetzung war in der Tat eine Herausforderung, aber erklärt die eigentliche Bedeutung der Aussage in Hamlet. taH pagh taHbe' heißt wörtlich Fortbestehen oder nicht fortbestehen. Auch dies ist eine Auslegung des Verbes sein.

Zusammenfassend...

Nachdem man sich von den komplizierten Eigenheiten seiner eigenen Muttersprache befreit hat, wird es schon ein Schritt einfacher Klingonisch zu lernen. Aus den obigen Beispielen wird vielleicht auch klar, wie kurz und prägnant das Klingonische ist. Es ist eine Sprache für Krieger, deswegen ist sie auch sehr direkt und ohne Umschweifungen. Aber vor allem auch ohne überflüssige Kleinteile. Komplett ohne Grammatik wird man jedoch nicht auskommen, denn es ist eine echte Sprache, also kein Trick. Man muss sich auch an manch unlogische Sachen gewöhnen, aber eben dies ist ein Zeichen für eine Sprache. Und das ist es auch was Spaß macht, sich der Herausforderung zu stellen, diese Sprache zu lernen.

Dieser Artikel erschien erstmals 2012 im Corona-Magazin, dem umfassendsten Phantastik-Magazin seit 1997, welches seit 2021 unter dem Namen Phantastika vertrieben, und 2022 eingestellt wurde.

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ÜBER DEN AUTOR

Lieven L. Litaer ist Klingonischexperte, Autor, Gründer des Deutschen Klingonisch-Instituts und weltweit bekannt als der Klingonischlehrer überhaupt. Mehr Informationen darüber gibt es auf seiner Seite www.lieven-litaer.de

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