Wo ist da Klingonisch?? – Gleich eine Warnung vorweg: Dieser Artikel geht ausnahmsweise nicht über die klingonische Sprache. Ich mag jetzt nicht behaupten, dass über Klingonisch alles gesagt sei, aber manchmal gibt es einfach andere Sachen, die mir auf dem Herzen liegen. Aber keine Sorge; Ich werde bestimmt nicht politisch werden und auch nicht meine neuesten Kochrezepte präsentieren.
Als Klingonischexperte bin ich natürlich auch in Science Fiction allgemein interessiert und schaue mir diverse filme und Serien an, zu denen ich gerne meine Meinung äußere. Ich denke nicht, dass dies zu einem filme-Blog mutieren wird, aber diese Sache möchte ich gerne beschreiben. Sehen wir es als eine Ausnahme mit Blick über den Tellerrand.
Nightflyers - Die Serie
Habt ihr schon von Nightflyers gehört? Hat man euch auch gesagt, man solle sich das nicht anschauen? Die Leute haben verdammt nochmal Recht. Ich erkläre euch, warum die Serie dennoch sehenswert ist. Dieses Mal agiere ich nicht in meiner Rolle als Klingonischlehrer, sondern werde meinen Kommentar als Science-Fiction-Fan äußern. Hierbei betone ich, dass diese nur meine eigene Meinung ist, und mir schon bewusst ist, dass ich manchmal eine etwas ungewöhnliche Ansicht habe. Aber wie das bei Filmen und Serien immer so ist, kann der hochgelobte Film ein totaler Reinfall sein, und die Serie mit den schlechtesten Einschaltquoten entwickelt sich zu einer Kultserie, die nach fünfzig Jahren sechs Spinn-offs und dreizehn Kinofilme mit hervorbringt. Ihr wisst, was ich meine.
Auf der Suche nach Sci-fi
Während meiner unaufhörlichen Suche nach neuen Science-Fiction-Serien bin ich eher durch Zufall auf Nightflyers gestoßen, die im Februar 2019 bei Netflix veröffentlicht wurde. Hierbei muss ich vorneweg sagen, dass ich zu diesem Zeitpunkt nie etwas davon gehört hatte und weder das Buch gelesen, noch die Verfilmung von 1987 gesehen hatte. Einzig der Autor George R. R. Martin war mir namentlich bekannt, und das auch noch obwohl ich zu dem einen Prozent der Bevölkerung gehöre, die nie eine einzige Folge von Game of Thrones gesehen hat.
Die Geschichte
Ohne viel zu Spoilern ist die Handlung von Nightflyers leicht in einen Satz zusammenzufassen: Das Raumschiff Nightflyer verlässt die Erde, um eine außerirdische Rasse zu kontaktieren und dann läuft irgendwie alles schief. Was ich zu Beginn der Serie noch nicht wusste, ist dass diese Serie in die Kategorie Horror-Science-Fiction gehört und definitiv nichts für zarte Gemüter ist. Schon in der ersten Folge erhält man eine Vorschau auf den Abschluss der Serie, mit einem Axt-schwingenden Psychopathen und sehr viel Blut. Diese Vorschau deutet schon auf die Gesamtstimmung der Serie, aber es wird noch viel schlimmer. Eine wichtige Hauptperson in der Serie ist ein junger Mann, der derart starke telepathische Fähigkeiten hat, dass er in einen besonders abgeschirmten Raum eingesperrt werden muss. Anscheinend ist er der einzige, der aufgrund seiner Fähigkeiten mit den Außerirdischen kommunizieren kann. Der Nebeneffekt seiner Gabe ist jedoch, dass er die Alpträume der Crew miterlebt und gleichzeitig aber auch auf andere projezieren kann. Es folgt eine Anhäufung der gruseligsten Horrorszenen, bei denen man irgendwann nicht mehr durchblickt, was Realität ist und was nicht. Die Crew hat das Gefühl, durchzudrehen und die Verdächtigungen und Beschuldigungen steigern sich in eine Paranoia, die sich zuletzt als äußerst berechtigt darstellt, da viele der Hauptcharaktere nicht jene sind, die sie zu sein vorgeben. So tritt der Captain in den ersten Folgen immer nur als holografische Projektion in Erscheinung, und an jeder Ecke sieht man Überwachungskameras ohne dass man genau weiß, wer diese bedient. Die Paranoia ist vorprogrammiert.
„Dies ist eine Warnung, kein Notruf:
Kommen Sie nicht an Bord des Schiffs!“
Zäh aber vielversprechend
Eine Warnung vorweg: die Serie ist äußerst langatmig und animiert dazu, gelegentlich aufs Handy zu schauen oder sich sonstwie abzulenken. Man muss gerade am Anfang ein wenig Geduld mitbringen. Die langsame Erzählstruktur bietet viele ruhige Momente, die zum einen in unserer Wahrnehmung der heutigen schnellebigen Science-Fiction-Action eher störend wirken, aber wenn man sich daran gewöhnt hat und diese Bilder einfach mal wirken lässt, die stellenweise schon wie eine Gemälde wirken, mit Liebe zum Detail, die gerne dunkle Szenen mit hellen Farben mischen und dabei stellenweise mit symmetrischen Bildkompositionen protzen, die dem Ganzen eine besonderen Flair geben, dann bekommt man das Verlangen weiter zu schauen. Zum einen erwartet man sehnsüchtig die Splatter-Szene, die man in der Vorschau gesehen hat, zum anderen entwickelt sich die Geschichte in eine unerwartete Richtung, deren Ende man gerne erfahren möchte.
Eine Story in 10 Folgen
Durch den aktuellen Trend des Fernsehverhaltens in den Streamingdiensten hat sich auch die Erzählweise in den Serien geändert. So kann man Nightflyers nicht mehr als eine Reihe von einzelnen Geschichten sehen, sondern es geht um das Gesamtwerk. Diese zehn Episoden, aus der die erste und einzige Staffel besteht, erzählen eine Geschichte, die von Anfang bis Ende einen Bogen spannt, aus einzelnen Kapiteln die stellenweise auch nicht so wichtig sind. Nachdem man aber den langsamen Einstieg in die Geschichte überstanden hat, geschieht plötzlich ein zeitlicher Sprung. Eine kurze Einblendugn zeigt an, dass die Handlungen acht Monate später statttfinden, und zwar zu dem Zeitpunkt, der in der ersten Folge als Vorschau gezeigt wurde. Alle Figuren haben sich deutlich weiterentwickelt. Es sind unerwartete Freundschafen entstanden und alles sieht nicht mehr ganz so bedrohlich aus. Die angepasste Darstellung der Crew sorgt dafür, dass man sich viel mehr mit ihr verbunden fühlt und eine Gefühl der Vertrautheit entstanden ist. Man sieht nicht mehr irgendwelche fremde Figuren, die nur auf dem Schiff herumlaufen, sondern man fühlt mit ihnen mit und begleitet sie auf ihrer Mission durch den Weltraum. Von Folge zu Folge kommt man dem Ziel näher und fiebert mit, gemeinsam die Probleme und Umstände der Bewohner der Nightflyer zu erleben. Die Entwicklung der Charaktere erfolgt sehr langsam, bietet aber zu fast jeder Figur einen interessanten Wendepunkt. Während am Anfang die einen sich verbünden und eine Hauptfigur verdächtigen, ist es genau diese, die zum Schluss zu einer interessanten und wichtigen Figur in der Geschichte wird. Gleichzeitig werden genau jene angeblich normalen, zurückhaltenden Personen später zu besessenen skrupellosen Wissenschaftlern, die sich blind vor Motivation ins Verderben stürzen.
Zusammenfassung
Nightflyers ist meines Erachtens ein verkanntes kultverdächtiges Meisterwerk, dessen Niveau einen nicht wahrnehmbaren Level erreicht. Das ist vielleicht auch die Nachricht dieser Serie, die Bereiche in der Psyche aufzeigen will, die für das menschliche Auge überhaupt nicht fassbar sind. Von klaustrophobischen Szenen, klassischen Gruseleffekten wie die flackernde Deckenbeleuchtung, bietet Nightflyers jede Alptraumszene, die man sich in Kombination mit einem Science-Fiction-Film vorstellen kann, inklusive Explosionen und Szenen in der Schwerelosigkeit. Es ist einfach eine Mischung von verstörenden Bildern, die an surrealistische Gemälde erinnern, von zerstörten Körperteilen, wie man sie zuletzt nur in Filmen wie die Saw-Reihe gesehen hat bis hin zu spannenden Gruselelementen die in die Abgründe der menschlichen Psyche eintauchen, die in ihrer Darstellung so überzeugend sind, dass sie dafür keiner Bilder bedürfen, sondern einfach nur durch die Wortwahl und die Hintergrundmusik die spannende und gruselige Grundstimmung erzeugen. Die Darstellung der ekligen, verstörenden Szenen sind dabei so zurückhaltend dargestellt, dass man nicht das Gefühl hat, von billigen Effekten aus Splatterfilmen überhäuft zu werden.
Das Gegenteil zu Star Trek
Diese Serie kann man sehr gut als das absolute Gegenteil von Star Trek beschreiben: Alle streiten miteinander, man kann niemandem vertrauen, die Menschen sterben reihenweise, die düstere Ausstattung des Schiffes erinnert eher an einen Gefangenentransporter als an ein Raumschiff und das Ende der Staffel bietet nicht wirklich für irgendjemanden ein Happy End, sondern erinnert eher an einen Splatterfilm aus den Achtzigern. Es ist einfach nur eklig, widerlich, verstörend, psychopathisch, einfach total krank. Mit Science Fiction hat es nicht wirklich viel zu tun. Wer aber auf richtigen Horror dieser Art steht, der wird diese Serie lieben.
Meine Meinung
Auch wenn die Gesamtbewertung von diversen Bewertungsportalen sehr zurückhaltend bis hin zu negativ ist, bin ich persönlich der Meinung, dass dieses Stück eine interessante wenn auch ungewöhnliche Geschichte darstellt und als Gesamtes betrachtet werden sollte. Wäre sie nur ein wenig schneller erzählt und mit ein wenig mehr Handlung gefüllt, könnte dies zu einer kult-Serie werden. Das Potential ist da, aber wegen seiner düsteren Art ist diese Serie nicht für die breite Masse geeignet. Es ist gut verständlich, warum sie nach der ersten Staffel nicht mehr fortgeführt wurde. So etwas will einfach keiner sehen, und die Einschaltquoten haben bestimmt nicht die Erwartungen erfüllt. Am Ende der Staffel hat man sich mit der Crew aber irgendwie angefreundet, und ich hätte mir auch die zweite Staffel weiter angesehen. Es war einfach mal etwas anderes als was man in der aktuellen Flut von Science-Fiction-Serien geboten bekommt, die insgesamt dazu tendiert, inhaltlich zu ähnlich zu werden und sich damit gegenseitig zu konkurrieren.
Kurz:
Gruselig, Spannend, schräg, krass.
Nützliche Links
- Nightflyers auf Wikipedia
- Nightflyers | Offizieller Trailer | Netflix von Netflix auf YouTube
- NIGHTFLYERS Trailer German Deutsch (2018) Netflix bei KinoCheck auf YouTube